Droit des contrats
L’éloignement comme motif de résiliation
Un client peut résilier son contrat pour justes motifs si la salle d’entraînement se trouve à 31 kilomètres de son lieu de vie.
État de fait
Après la fermeture d’une salle d’une chaîne de fitness, un client a résilié son abonnement annuel avec effet immédiat en raison de l’éloignement géographique de la filiale la plus proche. Dans ce cas, le trajet du client entre son domicile et le lieu d’entraînement passait de 11 à 31 kilomètres. L’intéressé a donc demandé un remboursement du montant correspondant à l’abonnement annuel, soit 816 francs.
Le centre de fitness a refusé d’entrer en matière quant à un éventuel remboursement en renvoyant aux conditions générales du contrat. Ces conditions générales excluaient tout remboursement si les clients peuvent s’entraîner dans un autre lieu. L’autorité de conciliation de Stans a admis la requête du client. Le tribunal supérieur de Nidwald a confirmé cette décision.
Extrait des considérants
4.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe ein Kündigungsrecht des Beschwerdegegners anerkannt, macht sie sinngemäss eine Rechtsverletzung geltend. Somit ist in rechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob ein ausserordentliches Kündigungsrecht des Beschwerdegegners bestand.
4.2.2 Gemäss AGB’s der A. AG Version 02.2020 hat der Kunde keinen Anspruch auf Preisrückerstattung, wenn er die bezahlte Leistung aus irgendwelchen Gründen nicht in Anspruch nimmt. Die AGB Version 10.2020 sieht zudem vor, dass der Kunde keinen Anspruch auf Preisrückerstattung hat, falls ein Standort geschlossen werden muss und die Möglichkeit besteht, an einem anderen Standort zu trainieren. Damit enthalten die AGB’s der Beschwerdeführerin zwar Regelungen betreffend Preisrückerstattung, nicht jedoch betreffend Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Vertragsrücktritts.
Es entspricht indessen einem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse, wie auch hier eines vorliegt (vgl. Urteil Verwaltungsgericht Solothurn, VWBES.2020.28 vom 17.8.2020 E. 4.3, in: Plädoyer 06/2020 vom 22. November 2020, wonach ein Fitnessvertrag als Dauerschuldverhältnis qualifiziert wird), von einer Partei bei Vorliegen von wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, vorzeitig gekündigt werden können (BGE 138 III 304 E. 7 S. 319; BGE 128 III 428 E. 3c S. 428 f.). Dieses Recht besteht, ohne dass es einer vertraglichen Abrede bedürfte.
Ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Bindung an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem einer Partei eine Weiterführung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann, besteht ohne weiteres ein Recht dieser Partei auf eine sofortige Auflösung eines Dauervertrages.
Es muss ihr unter dieser Voraussetzung möglich sein, sich vom Vertrag zu lösen. Bei besonders schweren Vertragsverletzungen ist ein wichtiger Grund regelmässig zu bejahen. Auch weniger gravierende Vertragsverletzungen können aber eine Fortsetzung des Vertrags für die Gegenpartei unzumutbar machen, wenn sie trotz Verwarnung oder Abmahnung immer wieder vorgekommen sind, so dass nicht zu erwarten ist, weitere Verwarnungen würden den Vertragspartner von neuen Vertragsverletzungen abhalten (vgl. BGE 138 III 304 E. 7 S. 319; BGE 128 III 428 E. 3c S. 428 f.; Urteil des Bundesgerichts 4A_148/2011 vom 8. September 2011 E. 4.3.1).
Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB). Es geht dabei um eine Billigkeitsentscheidung, die auf objektiver Interessenabwägung unter Beachtung der Umstände des zu beurteilenden Falls beruht (BGE 128 III 428 E. 4 S. 432; BGer 4A_589/2011 vom 5. April 2012, E. 7.1 [nicht publiziert in BGE 138 III 304]).
4.2.3 Der Beschwerdegegner stützt seine ausserordentliche Kündigung auf die per 30. Juni 2022 festgelegte Standortaufgabe des Fitnesscenters Y. Er macht geltend, die alternative Benützung des Standorts Z. sei für ihn aus persönlichen und logistischen Gründen nicht möglich. Bei Verlängerung des Fitnessabonnements sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass der Standort Y. schliesse und nur noch der Standort in Z. zur Verfügung stehe.
Z. liegt rund 31 km von Y. und X. (Wohnort des Beschwerdegegners) entfernt. Hingegen ist X. nur 11 km von Y. entfernt. Mit dem Standortwechsel wäre der Beschwerdegegner also gezwungen, einen 3-fach so langen Anfahrtsweg zum Trainieren in Kauf zu nehmen. Damit liegen veränderte Umstände im Sinne der dargelegten Rechtsprechung vor, welche eine Vertragsbindung unzumutbar machen.
Ein ausserordentliches Kündigungsrecht des Beschwerdegegners war somit gegeben. Die Schlichtungsbehörde hat zu Recht das Vorliegen eines ausserordentlichen Kündigungsgrundes als gegeben erachtet. Arrêt BAZ 23 6 du Tribunal cantonal de Nidwald du 11.5.2023
Crédit à la consommation
Sanctions après un examen de solvabilité défaillant
Une banque doit vérifier au préalable la solvabilité du client lorsqu’elle accorde un crédit à la consommation. Si l’établissement bancaire manque gravement à cette obligation, il perd la créance en capital et en intérêts.
Une banque a accordé à un père de famille du canton de Zurich un petit crédit à la consommation d’un montant de 15'000 francs soumis à un taux d’intérêt de 13,95%. Le client a en outre contracté une assurance mensualités pour couvrir le risque de défaut de paiement en cas de maladie. Le contrat a été conclu pour une durée de cinq ans. Le débiteur n’a toutefois pu rembourser qu’une partie de sa dette.
La banque Cembra a poursuivi le débiteur pour le solde, soit 12'177 francs. Celui-ci a fait opposition à la poursuite. Le Tribunal de district d’Affoltern (ZH) a rejeté la requête de mainlevée d’opposition de la banque.
Extrait des considérants
4.3. Gemäss Art. 27a des Bundesgesetzes über den Konsumkredit vom 23. März 2001 (SR 221.214.1; KKG) muss die gewerbsmässig tätige Kreditgeberin oder die Schwarmkredit-Vermittlerin vor Vertragsabschluss die Kreditfähigkeit der Konsumentin oder des Konsumenten prüfen.
Die Konsumentin oder der Konsument gilt dann als kreditfähig, wenn sie oder er den Konsumkredit zurückzahlen kann, ohne den nicht pfändbaren Teil des Einkommens nach Artikel 93 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 1927 über Schuldbetreibung und Konkurs beanspruchen zu müssen (Art. 28 Abs. 2 KKG). Bei der Beurteilung der Kreditfähigkeit muss von einer Amortisation des Konsumkredits innerhalb von 36 Monaten ausgegangen werden, selbst wenn verträglich eine längere Laufzeit vereinbart worden ist.
Die Kreditgeberin muss das betreibungsrechtliche Existenzminimum des Konsumenten ermitteln und berechnen, welcher Betrag dem Konsumenten von seinem Einkommen nach Abzug sämtlicher Verbindlichkeiten verbleibt. Die Kreditgeberin muss das relevante Informationsmaterial beschaffen und auswerten. Sie muss insbesondere die Angaben des Konsumenten mit denjenigen der Informationsstelle vergleichen und auf offensichtliche Unrichtigkeit überprüfen.
Das einseitige Einsetzen einer Arbeitswegpauschale auf dem Berechnungsblatt, ohne den Kreditnehmer vorgängig zur Angabe allfälliger Arbeitswegkosten eingeladen zu haben dürfte die bei der Kreditfähigkeitsprüfung von der Kreditgeberin zu fordernde Sorgfaltspflicht nicht erfüllen. Das Gleiche gilt für die Auslagen für die auswärtige Verpflegung (Urteil OGer Bern vom 23. September 2016, ZK 16 148, E. 20.6.1).
Die gewerbsmässig tätige Kreditgeberin oder die Schwarmkredit-Vermittlerin darf sich auf die Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten zu den finanziellen Verhältnissen (Art. 28 Abs. 3 und 4) oder zu den wirtschaftlichen Verhältnissen (Art. 29 Abs. 2 und 30 Abs. 1) verlassen. Sie kann von der Konsumentin oder dem Konsumenten einen Auszug aus dem Betreibungsregister und einen Lohnnachweis oder, wenn keine unselbstständige Tätigkeit vorliegt, sonstige Dokumente einfordern, die über deren oder dessen Einkommen Auskunft geben (Art. 31 Abs. 1 KKG).
Vorbehalten bleiben Angaben, die offensichtlich unrichtig sind oder denjenigen der Informationsstelle widersprechen (Art. 31 Abs. 2 KKG). Zweifelt die gewerbsmässig tätige Kreditgeberin oder die Schwarmkredit-Vermittlerin an der Richtigkeit der Angaben einer Konsumentin oder eines Konsumenten, so muss sie deren Richtigkeit anhand einschlägiger amtlicher oder privater Dokumente überprüfen.
Sie darf sich bei der Überprüfung nicht mit den Dokumenten nach Absatz 1 begnügen (Art. 31 Abs. 3 KKG). Keine Angabe liegt beim Unterzeichnen des von der Kreditgeberin ausgefüllten Berechnungsblatts vor, hat doch die Budgetberechnung selbst auf den (vorgängig gemachten) Angaben des Kreditnehmers zu beruhen.
4.4. Gemäss Kreditantrag vom 14. Februar 2015 wurden dem Gesuchsgegner keine Fragen zu Arbeitsfahrkosten, Verpflegungskosten, Betreuungskosten und Steuern gestellt. Es sind lediglich die Positionen «Andere Verpflichtungen des Antragstellers CHF/Mt» und «Andere Verpflichtungen des Ehepartners CHF/Mt» ersichtlich, die nicht ausgefüllt wurden.
Indem die Gesuchstellerin keine Verpflegungskosten berücksichtigt hat und für die Fahrkosten einen Betrag von Fr. 100.- in der Budgetberechnung eingesetzt hat, ohne den Gesuchsgegner vorgängig dazu befragt zu haben, hat sie die bei der Kreditprüfung geforderte Sorgfaltspflicht nicht erfüllt (Urteil OGer Bern vom 23. September 2016, ZK 16 148, E. 20.5.8 und E. 20.6.1).
Auch wurden die Fremdbetreuungskosten für das Kind des Gesuchsgegners nicht berücksichtigt und der Gesuchsgegner dazu nicht befragt, obwohl gemäss Kreisschreiben weitere notwendige Auslagen zu berücksichtigen sind. Dass der Gesuchsgegner und seine damalige Ehefrau ein Kind hatten und dass sie beide zusammen 180 Prozent arbeiteten, war der Gesuchstellerin bewusst.
Zudem hatte die Gesuchstellerin gemäss eigenen Angaben der damaligen Ehefrau des Gesuchsgegners auch bereits einen Kredit vergeben, weshalb ihr die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der damaligen Ehefrau des Gesuchsgegners bekannt waren bzw. hätten bekannt sein müssen.
Schliesslich braucht nicht näher ausgeführt zu werden, dass dem Gesuchsgegner mit einem ausbezahlten Lohn von Fr. 793.50 kein Kredit hätte gewährt werden dürfen, hätte er doch mit diesem Lohn seine Ausgaben bei weitem nicht decken können. Indem die Gesuchstellerin dem Gesuchsgegner dennoch einen Kredit über Fr. 15’000 zuzüglich 13.95 Prozent Jahreszins gewährte und zusätzlich ein Kreditversicherungsvertrag mit einer monatlichen Rate von Fr. 26.90 abgeschlossen wurde, verletzte sie Art. 28 Abs. 4 KKG, wonach bei der Beurteilung der Kreditfähigkeit von einer Amortisation des Konsumkredits innerhalb von 36 Monaten ausgegangen werden muss.
4.5. Dadurch, dass die Gesuchstellerin sich hinsichtlich des Lohnes des Gesuchsgegners, der unumgänglichen Berufsauslagen und der Kinderbetreuungskosten zu wenige Informationen beschafft hat, die erhaltenen Informationen nicht hinterfragt hat und den Kredit der damaligen Ehefrau des Gesuchsgegners nicht berücksichtigt hat, hat sie in schwerwiegender Weise gegen ihre Kreditfähigkeitsprüfungspflicht verstossen.
4.6. Die Gesuchstellerin verliert damit gemäss Art. 32 Abs. 1 KKG die von ihr gewährte Kreditsumme samt Zinsen und Kosten. Die provisorische Rechtsöffnung ist demnach zu verweigern. Arrêt EB220135 Tribunal d’arrondissement d’Affoltern du 19 avril 2023
La version intégrale du jugement est disponible en ligne: Konsumkreditgesetz.ch/fr/jurisprudence
Responsabilité civile
L’assurance ne répond pas en cas de faute grave de l’assuré
Une faute grave de l’automobiliste exclut la responsabilité de l’assurance responsabilité civile.
État de fait
Un automobiliste, au volant d’une voiture louée à l’étranger, a traversé un passage à niveau non gardé. Six passagers se trouvaient dans le véhicule qui a été percuté par un train. Le chauffeur est décédé. Son épouse, qui était passagère, a été grièvement blessée. Elle a demandé au Fonds national de garantie, responsable des prestations de responsabilité civile pour la voiture étrangère, une indemnité pour tort moral d’un montant de 70'000 francs. Le Tribunal de commerce de Zurich a rejeté sa demande.
Extrait des considérants
3.4.1. Infolge dieser Kollision verstarb der Lenker noch auf der Unfallstelle. Folglich resultierte der zu beurteilende Todesfall aus dem Betrieb des gefahrenen Motorfahrzeugs. Für die durch den Betrieb eines Motorfahrzeugs entstandenen Entschädigungsansprüche haftet in Anwendung von Art. 58 Abs. 1 SVG der Halter.
Vorliegend wurde das Unfallfahrzeug bei der O. S.P.A. gemietet. Alleinige Halterin des Unfallfahrzeugs blieb die ausländische Vermieterin, weshalb der Beklagte gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a SVG direkt für die Deckung allfälliger Ansprüche zuständig ist. Gemäss Art. 76b Abs. 1 SVG hat die Klägerin als Geschädigte ein direktes Forderungsrecht gegen den Beklagten. Demgemäss hat der Beklagte für Genugtuungsansprüche (vgl. BGE 124 III 182 E. 4.d) der Klägerin aus dem Unfalltod ihres Ehemannes einzustehen, soweit er sich nicht gestützt auf Art. 59 Abs. 1 SVG von der Haftung befreien kann.
3.4.2.3.1. Im Vordergrund des vorliegenden Verfahrens steht die Frage, ob dem verstorbenen Fahrzeuglenker, Q., im Zusammenhang mit dem Unfall ein Verschulden anzulasten ist. Die Sorgfaltswidrigkeit ergibt sich dabei aus dem Vergleich seines tatsächlichen Verhaltens mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der gleichen Situation (BGer Urteil 4A_131/2021 vom 11. Februar 2022 E. 1.2.).
Wie aufgezeigt, führt nur schweres Verschulden resp. grobe Fahrlässigkeit, mithin die Ausserachtlassung elementarer Sorgfaltsregeln, deren Beachtung sich jedem vernünftigen Menschen in derselben Lage aufgedrängt hätte, zum gänzlichen Ausschluss einer Haftung des Beklagten
Da nach übereinstimmenden Ausführungen der Parteien (nur) ein einfaches Andreaskreuz am Bahnübergang ‘D.’ befestigt war, hätte er sich gemäss Art. 93 Abs. 4 lit. b SSV selber vergewissern müssen, dass kein Schienenfahrzeug nahte und der Übergang frei ist: Hätte er sich vergewissert, hätte er die herannahende Zugskomposition sehen müssen, wenn sie in Sichtweite war, und das Fahrzeug noch rechtzeitig anhalten können (vgl. Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV; Art. 32 Abs. 1 SVG).
Sofern die Zugskomposition noch nicht in Sichtweite war, hätte der Lenker genügend Zeit gehabt, um den Bahnübergang ohne Kollision zu überqueren, sofern er zügig genug gefahren wäre. Hätte der Lenker den Bahnübergang zu zögerlich überquert, hätte er gegen die in Art. 24 Abs. 2 VRV statuierten Sorgfaltspflichten verstossen. Hätte er gar auf dem Bahnübergang angehalten, so hätte er Art. 18 Abs. 2 lit. f VRV verletzt.
Folglich hat der Fahrzeuglenker mit seinem tatsächlichen Verhalten in allen denkbaren Geschehensabläufen gegen in den Verkehrsvorschriften statuierte Sorgfaltspflichten verstossen und sich gemessen am Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in seiner Situation sorgfaltswidrig verhalten. Am streitgegenständlichen Unfall ist ihm demnach ein Verschulden anzulasten.
3.4.2.3.6. Der streitgegenständliche Sachverhalt lässt sich in die aufgezeigte Wertungslinie des Bundesgerichts einreihen: Dem pflichtgemäss aufmerksamen Fahrzeuglenker musste, nachdem er auf einer langen Geraden parallel zu Gleisen gefahren war – was für ihn erkennbar war, – bewusst sein, dass er, wenn er auf die andere Seite der Gleise kommen wollte, diese Gleise überqueren musste.
Genauso musste ihm bekannt sein, dass auf den Gleisen vortrittsberechtigte Züge fahren könnten. In Gefahrensituationen wie der Überquerung eines unbewachten Bahnübergangs – die Klägerin bezeichnet den Bahnübergang ‘D.’ selbst gar als extrem gefährlich – ist die geforderte Aufmerksamkeit erhöht (vgl. BGE 93 II 111 E. 10., 4A_453/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 6. oder BGer Urteil 4A_91/2022 vom 31. Mai 2022 E. 4.2.).
Das Überqueren des – vom Lenker als solchen erkannten – Bahnübergangs erforderte dementsprechend bereits im Grundsatz eine besondere Sorgfalt; dadurch, dass der Bahnübergang ‘D.’ jedoch nur durch ein einfaches Andreaskreuz gesichert war, musste der Lenker vorliegend sehr vorsichtig sein. Daher ist dem Beklagten, der ausführt, das Nichtwahrnehmen des grossen und vortrittsberechtigten Zuges durch den Lenker sei bei Wahrung der geforderten Aufmerksamkeit nicht nachvollziehbar und eine Verletzung elementarer Sorgfaltspflichten, beizupflichten.
3.4.2.4. Dem Beklagten gelingt die Erbringung des dreifachen Entlastungbeweises: Erstens trifft die Fahrzeughalterin kein ihr zurechenbares Verschulden an den vorgefallenen Ereignissen, zweitens lag keine fehlerhafte Beschaffenheit des Unfallfahrzeugs vor und drittens verschuldete der Fahrzeuglenker den Unfall, wobei sein Verhalten in Anbetracht der tatsächlichen Vorkommnisse und gemessen an der Wertungslinie des Bundesgerichts als grobfahrlässig qualifiziert werden muss. Entsprechend kann sich der Beklagte von seiner Haftung befreien.
4. Den Beklagten trifft für den Verkehrsunfall vom tt.mm.jjjj eine Halterhaftung nach Art. 58 Abs. 1 SVG. Indessen gelingt ihm der Entlastungsbeweis von seiner Haftung. Namentlich überwiegt das Selbstverschulden des vortrittsbelasteten Fahrzeuglenkers die Betriebsgefahr des Halterfahrzeugs in einem Ausmass, dass diese nicht mehr ins Gewicht fällt und als adäquate Unfallursache ausgeschaltet wird:
Dadurch, dass der verstorbene Fahrzeuglenker Q. auf den Bahnübergang fuhr, ohne zuvor abschliessende Gewissheit darüber erlangt zu haben, ob ein vortrittsberechtigtes Schienenfahrzeug herannahte, hat er wichtige Verkehrsregeln schwer verletzt und elementare Regeln der Sorgfalt missachtet. Sein Verhalten lässt sich weder entschuldigen noch rechtfertigen. Im Gegenteil wären die Geschehnisse bei Einhaltung der elementarsten Vorsichtsgebote nicht nur voraussehbar, sondern auch vermeidbar gewesen. Daher ist die Genugtuungsforderung der Klägerin vollumfänglich abzuweisen. Arrêt HG210238 du Tribunal de commerce de Zurich du 14.6.2023
Procédure civile
Prolongation du délai de retrait postal sans effet sur le délai de recours
Les courriers officiels sont réputés notifiés le septième jour du délai de garde de la poste. Une prolongation du délai de retrait n’y change rien.
État de fait
Un propriétaire foncier du canton de Bâle-Campagne reçoit une décision de la commission de recours en matière de construction par lettre recommandée. Le facteur ne peut pas lui remettre la lettre en main propre et dépose un avis de retrait l’invitant à récupérer son courrier dans les sept jours. Le propriétaire prolonge le délai de retrait à la poste de sept jours supplémentaires et retire la lettre à la fin du délai ainsi prolongé. Il introduit ensuite un recours contre la décision de la commission de recours. Le Tribunal cantonal de Bâle-Campagne conclut à la tardivité du dépôt de la requête.
Extrait des considérants
2.2 Eine postalische Sendung gilt als zugestellt, wenn diese entweder durch den Adressaten oder eine am angegebenen Wohn- oder Geschäftsdomizil anzutreffende bezugsberechtigte Person entgegengenommen wird. Versendet eine Behörde ein Schriftstück durch eingeschriebene Briefpost und wird die Postsendung an der Haustür nicht entgegengenommen, wird dem Adressaten eine Abholeinladung in den Briefkasten gelegt.
Die Sendung gilt dann in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird. Geschieht das nicht innert der Abholfrist von sieben Tagen, so gilt eine eingeschriebene Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung hatte rechnen müssen (sog. Zustellfiktion; vgl. KGE VV vom 23. April 2020 [810 20 72] E. 3.3; BGE 141 II 429 E. 3.3; BGE 138 III 225 E. 3.1).
Diese von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze kommen zum Tragen, wenn das kantonale Recht die Frage nicht anders regelt, wie das im Kanton Basel-Landschaft der Fall ist (KGE VV vom 15. Dezember 2020 [810 19 211] E. 4.2; BGE 127 I 31 E. 2a/aa).
2.3 Der angefochtene Entscheid wurde am 31. März 2023 per Einschreiben an die Adresse der Beschwerdeführer versandt. Anlässlich des Zustellungsversuchs vom 3. April 2023 konnte die Sendung nicht persönlich übergeben werden und wurde sie den Beschwerdeführern mittels Abholeinladung zur Abholung bis 11. April 2023 gemeldet. Gemäss der elektronischen Sendungsverfolgung der Post («Track & Trace») verlängerten die Empfänger die Abholfrist am 5. April 2023. Sie holten die Sendung schliesslich am 17. April 2023 am Postschalter ab.
Aufgrund der Zustellfiktion markiert der 10. April 2023 den Beginn der Rechtsmittelfrist und können die Beschwerdeführer aus der tatsächlichen Entgegennahme des angefochtenen Entscheids am 17. April 2023 nichts zu ihren Gunsten ableiten.
2.5 Die Beschwerdefrist ist eingehalten, wenn die Handlung während ihres Laufes vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Bestimmungsstelle eingetroffen oder für sie der schweizerischen Post übergeben sein. Die am 25. April 2023 bei der Post aufgegebene Beschwerde ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verspätet. Arrêt 810 23 90 du Tribunal cantonal de Bâle-Campagne du 3.5.2023
Droit de la profession d’avocat
Avocat condamné à 3000 francs d’amende
Un avocat qui adresse une requête contre la volonté de son client viole la loi sur les avocats
État de fait
Au cours d’une audience principale devant le Tribunal de district de Wil (SG), un défenseur d’office a demandé que son client soit déclaré coupable de vol et soit expulsé du pays. Et ce, bien que le prévenu ait nié les faits. Le jour même, le tribunal d’arrondissement a renvoyé le défenseur d’office et l’a dénoncé à la Commission de surveillance du canton de Saint-Gall, qui lui a infligé une amende salée.
Extrait des considérants
II. 2. a) Nach Art. 12 lit. a BGFA üben die Anwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus. Der Anwalt ist bereits gestützt auf sein Auftragsverhältnis zum Klienten gehalten, das ihm übertragene Geschäft getreu und sorgfältig auszuführen (Art. 398 Abs. 2 OR). Er hat die Interessen des Auftraggebers nach besten Kräften zu wahren und alles zu unterlassen, was diese Interessen schädigen könnte (BGE 115 II 62 E. 3a; BGer2C_233/2021 E. 3.1). Der Anwalt hat primär die Interessen seines Klienten zu vertreten und ist im Gegensatz zum Richter nicht der objektiven Wahrheits- und Rechtsfindung verpflichtet.
Er ist nicht Gehilfe des Richters, sondern Verfechter von Parteiinteressen. Zwar verfügt der Anwalt zur Verteidigung der Klienteninteressen hinsichtlich der Festlegung der Strategie und der Wahl der Mittel über einen grossen Handlungsspielraum. Dieser ist jedoch nicht uferlos, sondern der Anwalt hat alles zu unterlassen, was die Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft – gerade auch im Verhältnis zu den Justizbehörden – in Frage stellt, und sich in diesem Sinne umsichtig zu verhalten (BGE144 II 473 E. 4.3; BGer 2C_500/2020 E. 5.3).
Im Strafverfahren hat er daher beispielsweise seine Tätigkeit nicht am staatlichen Strafverfolgungsinteresse auszurichten, sondern am Interesse des Beschuldigten an einem freisprechenden oder möglichst milden Urteil, und es muss ihm hinsichtlich der Wahl der Verteidigungsmittel ein hohes Mass an Entscheidungsfreiheit zukommen (BGE 106 Ia 100 E. 6 b; BGer 1C_340/2018 E. 5.5).
Die Verteidigung bedeutet demzufolge streng einseitige Interessenwahrnehmung. Weiss oder vermutet der Verteidiger, dass sein Mandant trotz der Bestreitung schuldig ist, hat er sich gegen über den Behörden jeder diesbezüglichen Äusserung zu enthalten. Das Wissen oder die Meinung des Verteidigers hat in jedem Fall vor dem Auftrag zur Verteidigung zurückzutreten (vgl. BGE 138 IV 161 E. 2.5.4).
3. a) In der Folge plädierte Rechtsanwalt A. auf Schuldspruch wegen Raubes und äusserte zu Beginn seines ersten Parteivortrages unmissverständlich, dass er – im Einklang mit der Anklage und entgegen den Aussagen seines Mandanten – die tatsächlichen Feststellungen der Staatsanwaltschaft als nachgewiesen erachtete. Dass diese Strategie mit B. abgesprochen gewesen sein soll und sich dieser damit einverstanden erklärt habe, erscheint angesichts der Aussagen von B. während der gesamten Strafuntersuchung und insbesondere auch noch an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht glaubhaft.
b) Mit dem Antrag auf Schuldspruch wegen Raubes handelte Rechtsanwalt A. (vorsätzlich) den Interessen seines Mandanten zuwider. Das Argument, eine andere Strategie wäre aussichtslos gewesen, vermag nicht zu überzeugen, zumal das Kreisgericht Wil unmittelbar nach Eröffnung der Verhandlung den Parteien sogar mitteilte, dass es sich vorbehalte, die angeklagte versuchte räuberische Erpressung sowie den angeklagten Raub als versuchte bzw. vollendete Nötigung zu qualifizieren.
Spätestens dann hätte Rechtsanwalt A. klar sein müssen, dass sein Mandant zumindest Aussichten auf eine mildere Verurteilung wegen Nötigung gemäss Art. 181 StGB hatte. Damit wäre auch die Katalogtat für eine obligatorische Landesverweisung nach Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB dahingefallen und lediglich noch die fakultative Landesverweisung nach Art. 66a StGB zur Diskussion gestanden.
Ob sich B. nicht per se gegen eine Landesverweisung, sondern bloss gegen eine solche von acht Jahren gestellt hat, ist aufgrund der Akten zweifelhaft, kann an dieser Stelle aber ebenfalls offenbleiben. Rechtsanwalt A. hätte sich auch diesbezüglich für ein möglichst mildes Urteil – in casu für einen Verzicht auf eine Landesverweisung – für seinen Mandanten einsetzen müssen.
c) Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt A. für den beantragten Schuldspruch wegen Raubes eine teilbedingte Freiheitsstrafe für seinen Mandanten beantragte, obwohl dieser aufgrund der Höhe des von ihm beantragten Strafmasses von 21 Monaten Freiheitsstrafe sowie aufgrund seiner Vorstrafenlosigkeit grundsätzlich Anspruch auf einen vollständigen Aufschub einer Freiheitsstrafe (Art. 42 Abs. 1 StGB) gehabt hätte.
Der Einwand von Rechtsanwalt A., eine teilbedingte Freiheitsstrafe sei einzig realistisch gewesen und B. habe schon einen Teil der Freiheitsstrafe abgesessen, vermag ihn nicht zu entlasten. Als Verteidiger ist er nicht der objektiven Wahrheits- und Rechtsfindung verpflichtet, sondern ausschliesslich den Interessen seines Mandanten.
d) Nach dem Gesagten wäre Rechtsanwalt A. als Verteidiger verpflichtet gewesen, die Interessen von B. zu wahren und ein möglichst mildes Urteil für ihn zu erwirken. Indem er die Aussagen von B. sowie den (milderen) Würdigungsvorbehalt des Kreisgerichts Wil schlicht ignorierte und in seinem Parteivortrag dennoch u.a. einen Schuldspruch wegen Raubes, eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 21 Monaten sowie einen Landesverweis für vier Jahre für seinen Mandanten beantragte, verletzte er seine Sorgfaltspflicht in grober Weise.
Die Vorgehensweise von Rechtsanwalt A. geht dabei über «eine unrichtige Beratung», «ein prozessual falsches Vorgehen» oder «blosstaktisch oder psychologisch unkluges Vorgehen» hinaus und stellt die Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft in Frage.
III. 2. Gerade in Strafverfahren, wo schwerwiegende Delikte, mehrmonatige Freiheitsstrafen sowie Landesverweise im Raum stehen, ist es mit der Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung nicht vereinbar, wenn sich ein Verteidiger derart gegen die Mandanteninteressen stellt. Einsicht in sein Fehlverhalten ist beim Angezeigten nicht erkennbar. Sein anwaltlicher Leumund ist indes ungetrübt. Angesichts dieser Umstände erscheint eine Busse von
Fr. 3’000.00 angemessen.
IV. Dem Verfahrensausgang entsprechend hat Rechtsanwalt A. die Entscheidgebühr von Fr. 1'200.00 zu bezahlen.
Décision AW.2022.85 de la Commission du barreau du canton de Saint-Gall du 4.4.2023