Droit de la protection de l’enfant
L’obtention des documents de voyage
Garantir l’intérêt supérieur de l’enfant implique d’assurer l’accès à l’éducation, à des possibilités d’épanouissement personnel et culturel et à l’entretien des relations avec les membres de la famille se trouvant à l’étranger. Les parents sont ainsi tenus d’obtenir les documents de voyage dans l’intérêt de l’enfant.
État de fait
Trois frères et sœurs âgés de 15 et 17 ans, originaires du canton de Saint-Gall, vivent chez leur mère. Si la mère des enfants détient la garde exclusive, les parents, divorcés, exercent conjointement l’autorité parentale. Le père a refusé de donner son accord pour la demande de passeports de ses enfants dans le formulaire du service des passeports. Il s’inquiète pour la sécurité de ses enfants et subordonne son accord à la délivrance des plans de voyage.
Pour leur part, la mère et les enfants avancent qu’ils souhaitent rendre visite à leurs proches au Canada et entreprendre des voyages linguistiques et d’entraînement, tout en gardant toutes les options ouvertes quant au choix des pays. L’autorité de protection de l’enfant et de l’adulte, la commission cantonale de recours administratif et le Tribunal cantonal de Saint-Gall ont approuvé la demande de la mère.
Extrait des considérants
4. a) Die elterliche Sorge ist ein unverfügbares, zweckgebundenes und fremdnütziges Pflichtrecht, das die Gesamtheit der elterlichen Verantwortlichkeit und Befugnisse gegenüber dem Kind umfasst, insbesondere mit Bezug auf die Erziehung, die gesetzliche Vertretung und die Vermögensverwaltung des Kindes. Im Vordergrund steht die Pflichtbindung der Eltern. Die Rechtfertigung der Befugnisse findet sich nicht im Machtanspruch der Eltern, sondern in den Bedürfnissen des Kindes nach Schutz und Unterstützung in der Entwicklung zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit.
c/aa) Die 17-jährige C. wie auch die 15-jährigen Zwillinge D. und E. sind in Bezug auf die Ausstellung von Pässen urteilsfähig und bekundeten ihren Willen klar und bestimmt. So hielten sie fest, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Sprachaufenthalte absolvieren möchten. Sie wollen nicht, dass ihr schulisches Fortkommen und damit auch ihre berufliche Karriere unnötig erschwert wird. C. ist sodann im Leichtathletikkader und kann an Trainingslagern im Ausland teilnehmen, für welche je nach Land ebenfalls eine Reisebewilligung erforderlich ist.
Bei D., der die Kantonsschule in F. besucht, ist ein Sprachaufenthalt im englischsprachigen Raum obligatorisch. Die Kantonsschule empfiehlt aus verschiedenen Gründen explizit England als Wahl für einen Sprachaufenthalt. Gemäss Angaben der Mutter wollen die Kinder sodann auch unbeschränkt reisen und ihre Verwandten in Kanada besuchen. Illusorische, schädliche oder missbräuchliche Beweggründe der Mutter sowie C., D. und E. sind insgesamt nicht ersichtlich. Auch Anzeichen einer allfälligen Kindesentführung durch die Mutter liegen nicht vor.
bb) Die Weigerung des Vaters, seine Zustimmung zur Passbeantragung zu erteilen, ist vorliegend weder sachlich begründet noch nachvollziehbar. Vielmehr liegt sein Motiv – worauf bereits die Vorinstanz zutreffend hinwies – im Verhältnis zur Mutter begründet, indem diese ihn (behauptungsgemäss) nicht in Entscheidungen einbezieht. Ein solches Verhalten des Vaters widerspricht dem Wesen der elterlichen Sorge, mit der für die Kinder zu sorgen ist. Der Vater scheint sein Zustimmungsrecht zum Passantrag offenbar als Druckmittel zur Erlangung von Informationen einzusetzen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass jeder Schweizer Staatsangehörige einen Anspruch auf einen Ausweis je Ausweisart und damit auf einen Schweizer Reisepass hat (vgl. Art. 1 Abs. 1 AwG). Solche Ausweise dienen einerseits zum Nachweis der Schweizer Staatsangehörigkeit und andererseits der eigenen Identität (vgl. Art. 1 Abs. 2 AwG). Es kann nicht angehen, dass Kinder bzw. vorliegend Jugendliche aufgrund eines Elternkonflikts über keine Reisepässe verfügen und sie dadurch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden.
Ausserdem käme es – obwohl der Obhutsinhaber alleine entscheiden könnte (vgl. dazu OGer BE KES 21 386 vom 24. September 2021 E. 5.3) – zu einer faktischen Zustimmungspflicht für Ferienreisen in Zielländer, welche für die Einreise einen Reisepass voraussetzen. Durch sein Verhalten verhinderte der Vater bereits den in England geplanten Sprachaufenthalt von C. und blockierte damit nicht nur einen Teil ihrer Ausbildung, sondern bot auch für eine Möglichkeit, ihre Entwicklung zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu unterstützen, keine Hand.
cc) Aufgrund des ausdrücklich geäusserten Wunsches der Kinder und insbesondere mit Blick auf deren Wohl (Ausbildung, Entfaltungsmöglichkeiten und Verwandtschaftspflege in Kanada) hat das einseitige Interesse des Vaters zurückzustehen. Vielmehr ist er anzuhalten, seine Kinder zu unterstützen und sie in ihrem schulischen und beruflichen Fortkommen und ihrer Selbstständigkeit zu fördern. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, belastete der Vater, indem er die Zustimmung zur Ausstellung eines Reisepasses ohne nachvollziehbaren Grund verweigerte und dadurch die Ausbildung von C. teilweise blockierte, das ohnehin bereits angespannte Verhältnis zu seinen Kindern indessen noch weiter, was bei den vorliegenden Umständen als Kindeswohlgefährdung zu qualifizieren ist.
d) Zusammenfassend ist nicht zu beanstanden, dass die KESB die Zustimmung zur Beantragung von Reisepässen für C., D. und E. durch die Mutter erteilte.
Arrêt KES.2024.24/25/26 du Tribunal cantonal de Saint-Gall du 24.10.2024
Droit du travail
Un compliment sur le physique n’est pas une faute grave
Le message Facebook d’un employé à une collaboratrice mentionnant qu’il la trouve attirante ne justifie pas un licenciement avec effet immédiat.
État de fait
Après avoir travaillé trois ans dans une entreprise argovienne, un conseiller de vente de 53 ans résilie son contrat. Quatre jours plus tard, il envoie un message à une collègue âgée de 20 ans sur le réseau social Facebook: «Mais tu es vraiment une femme magnifique» accompagné d’un emoji qui embrasse. «Malheureusement pour moi, inaccessible» avec un emoji singe se cachant les yeux avec les deux mains. Le jour même, une dispute éclate entre les intéressés sur leur lieu de travail.
Le supérieur les interroge et licencie sur-le-champ le conseiller de vente en arguant qu’il aurait harcelé sexuellement la femme. Le Tribunal de district de Kulm et la Cour suprême d’Argovie concluent que le licenciement avec effet immédiat était injustifié et accordent à l’homme le salaire correspondant à la période de préavis ainsi qu’une indemnité de 4275 francs correspondant à deux semaines de salaire.
Extrait des considérants:
2.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben.
Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Zu berücksichtigen ist sodann auch die verbleibende Zeit bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BGE 142 III 579 E. 4.2). Je kürzer diese Dauer ist, umso gewichtiger muss der angeführte Grund sein, um zur fristlosen Entlassung zu berechtigen (Urteil des Bundesgerichts 4A_177/2023 vom 12. Juni 2023 E. 3.1.3).
Sexuelle Belästigungen einer Arbeitnehmerin durch einen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder wiederholte sexistische Bemerkungen eines Arbeitnehmers am Arbeitsplatz (auch in Abwesenheit der betroffenen Arbeitnehmerin) gegenüber Arbeitskollegen am Arbeitsplatz können ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.v. Art. 337 OR sein (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_238/2007 vom 1. Oktober 2007 E. 4.2 f.; 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f. [in casu verneint]; 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f. [in casu verneint]).
2.3.3. Es erscheint zweifelhaft, ob es sich bei der an E. versendeten Facebook-Nachricht, dass sie eine wirklich wunderschöne Frau, für den Kläger aber unerreichbar sei, zusammen mit dem Kuss-Emoji und dem Affen-Emoji um eine sexuelle Belästigung handelt, geht es doch inhaltlich in erster Linie um ein Kompliment, ohne dass dafür eindeutig sexuell konnotierte Worte oder Emojis verwendet worden wären.
Auch die telefonische Aussage des Klägers gegenüber F., dass er E. «nicht nur am Telefon» wolle, erlaubt nicht nur eine Interpretation als eindeutig sexuelle Belästigung, zumal nicht klar ist, ob der Kläger davon ausgegangen ist, F. werde diese Aussage an E. weiterleiten, oder ob sich F. selbst (sexuell) belästigt fühlte. Ob die Facebook-Nachricht und das Telefonat je für sich oder zusammen eine sexuelle Belästigung darstellen, kann letztlich aber offen bleiben. Denn auch wenn dies zu bejahen wäre, ist die von der Beklagten getroffene Massnahme der fristlosen Kündigung unverhältnismässig.
2.3.4. Der Kläger hatte gegenüber E. keine Vorgesetztenfunktion, mit der eine erhöhte Verantwortung und Sorgepflicht einhergegangen wäre (vgl. diesbezüglich BGE 130 III 28 E. 4.1 sowie Urteil des Bundesgerichts 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 E. 3.1 und 3.2.1, wonach das Verhalten der Kadermitglieder wegen des besonderen Vertrauens und der Verantwortung, die ihre Stellung im Unternehmen mit sich bringt, strenger zu beurteilen ist).
Die Beklagte hat unbestritten von einer Verwarnung und anderen durchaus möglichen Massnahmen abgesehen. Inwieweit die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zerstört oder zumindest so tiefgreifend erschüttert haben, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten war, ist nicht ersichtlich. Das Absehen von einer Verwarnung und anderen Massnahmen lässt sich vorliegend nicht mit der Schwere der Vorwürfe begründen.
Nach dem Gesagten erweist sich die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung als ungerechtfertigt und ihre Berufung ist in diesem Punkt abzuweisen.
Arrêt ZOR.2024.18 de la Cour suprême du canton d’Argovie du 9.9.2024
Droit des assurances privées
Une seule indemnité pour deux fermetures
Une assurance couvrant les dommages résultant d’une épidémie ne doit verser la somme assurée qu’une seule fois par événement dommageable, et non pour chaque fermeture d’entreprise prise individuellement.
Extrait des considérants
E. 3.3 Die vom Bundesrat ab dem 28. Februar 2020 angeordneten und hernach stufenweise angepassten Massnahmen bezweckten alle die Eindämmung von COVID- 19. Die Parteien sind sich einig, dass spätestens im Zuge der ersten Schliessung der Restaurants der Versicherungsfall eingetreten ist. Auch wenn der Bundesrat nach der ersten Schliessung mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip und die konkrete Situation zunächst die Öffnung von Restaurants unter Auflagen wieder gestattete und im späteren Verlauf eine zweite Schliessung anordnete, bleibt dies ein einheitliches Massnahmenpaket zur Bekämpfung derselben Krankheit und es liegen keine neuen Massnahmen vor, die zu einem zusätzlichen Versicherungsfall führen (vgl. in dieser Hinsicht auch Urteil des Bundesgerichts 4A_303/2022 vom 17. Oktober 2022, E. 6.2).
Nicht von Bedeutung sein kann in diesem Zusammenhang, ob die jeweiligen Massnahmen stets in derselben Verordnung oder in neuen Verordnungen erlassen wurden bzw. sich auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen. Einerseits änderte dies nichts daran, dass es sich durchgehend um Massnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 handelte.
Arrêt HG210141 du Tribunal du commerce du canton de Zurich du 17.4.2024
Protection des données
Le tribunal des baux n’est pas compétent pour les demandes d’accès
Si un locataire demande au bailleur uniquement l’accès à ses données personnelles conformément à la loi sur la protection des données, ce ne sont pas les tribunaux des baux qui sont compétents, mais les tribunaux ordinaires.
État de fait
Un locataire a demandé au bailleur de lui donner accès à toutes les données le concernant. Le Tribunal des baux d’Uster (ZH) n’est pas entré en matière sur la demande. La Cour suprême de Zurich a confirmé la décision.
Extrait des considérants
3.4.1 Der Berufungskläger verlangt mit seiner Klage nach Art. 15 Abs. 4 DSG gestützt auf Art. 8 DSG (vgl. Art. 25 nDSG i.V.m. Art. 243 Abs. 2 lit. d ZPO) von der Berufungsbeklagten die Erteilung von Auskunft über alle im Zusammenhang mit dem erwähnten Mietverhältnis stehenden Daten. In rechtlicher Hinsicht stützt er sich einzig auf datenschutzrechtliche Bestimmungen. Für Streitigkeiten zur Durchsetzung des Auskunftsrechts nach Art. 25 DSG sieht das Bundesrecht in Art. 243 Abs. 2 lit. d ZPO das vereinfachte Verfahren vor.
Im Kanton Zürich entscheidet das Einzelgericht erstinstanzlich über alle Streitigkeiten im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 243 ZPO, die nicht einer anderen Instanz zugewiesen sind (vgl. § 24 lit. a GOG). Einer anderen Instanz – nämlich dem Mietgericht – zugewiesen sind namentlich Streitigkeiten aus Mietverhältnissen (Art. 253a OR) für Wohnräum. Eine solche Streitigkeit aus Mietverhältnis liegt vor, wenn sich der Klagegegenstand (Anspruch) aus einem Mietverhältnis herleitet und damit dem entspricht, was unter die Vertragsklage fällt.
Mit einer Vertragsklage werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche geltend gemacht, die aus einer solchen Vertragsbeziehung fliessen (z.B. Mietzinsforderung etc.), Folge einer einst bestehenden Vertragsbeziehung sind (z.B. Rückerstattungsansprüche, Schadenersatz aus dem Dahinfallen des Vertrages, Kündigungsschaden etc.) oder das Zustandekommen oder Nichtzustandekommen des Vertrages selbst betreffen (vgl. ZK OR-HIGI, 4. Aufl. 1996, Art. 274 N 44 ff. m.w.H.; s.a. HAUSER/SCHWERI/LIEBER, GOG-Kommentar, 2. Aufl. 2017, § 21 N 3; siehe bereits HAUSER/SCHWERI, GVG-Kommentar, Zürich 2002, § 18 N 2 [zum gleich lautenden § 18 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes, das bis 1. Januar 2011 in Kraft war]).
Zwar finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes auch im Rahmen eines Mietverhältnisses Anwendung (vgl. BGE 142 III 263 E. 2.2.1). Im Mietrecht (Art. 253 ff. OR) gibt es jedoch – anders als im Arbeitsrecht, das in Art. 328b OR den Persönlichkeitsschutz einer arbeitnehmenden Person in Hinblick auf die Datenschutzgesetzgebung konkretisiert – keine besondere Bestimmung über die Bearbeitung von Personendaten einer mietenden Partei durch die vermietende Partei (vgl. BGE 142 III 263 E. 2.2.1). Und damit besteht insbesondere keine Bestimmung, die einen (materiell-rechtlichen) Datenauskunftsanspruch als Wirkung des Abschlusses eines Mietvertrags vorsehen würde.
Es kann somit nicht gesagt werden, der vom Berufungskläger mit seiner Klage geltend gemachte Datenauskunftsanspruch sei ein materiell-rechtlicher Anspruch, der aus einer (Miet-)Vertragsbeziehung fliesse oder sich daraus herleite. Dieser Anspruch ist auch keine Folge einer einst bestehenden (Miet-)Vertragsbeziehung und die Streitigkeit betrifft auch nicht das Zustandekommen oder Nichtzustandekommen des (Miet-)Vertrages. Die Klage des Berufungsklägers stellt somit keine Vertragsklage dar.
3.4.2 Daran vermag auch der Entscheid des Mietgerichtes Zürich (MD190008- L/Z1 vom 12. Juni 2019 [ZMP 2019 Nr. 15]) nichts zu ändern, den der Berufungskläger auch im Berufungsverfahren zur Begründung seines Standpunktes anführt. In jenem Entscheid wurden mehrere zusätzliche Begrifflichkeiten eingeführt, um verständlich zu machen, was unter einer Streitigkeit aus einem Mietverhältnis im Sinne von § 21 Abs. 1 lit. a GOG zu verstehen sei: Im Leitsatztitel (Regeste) wird erwähnt, das Mietgericht sei sachlich zuständig, wenn neben einer datenschutzrechtlichen auch eine «mietvertragliche Grundlage» in Betracht komme (vgl. ZMP 2019 Nr. 15 S. 1).
In den Erwägungen wird einerseits ausgeführt, das Mietgericht sei sachlich zuständig, wenn der Streitgegenstand in einem «weiteren Sinne mietrechtlicher Natur» sei (a.a.O. S. 2). Andererseits wird festgehalten, wenn ein Anspruch «im Kontext des Wohnungsmietverhältnisses» stehe, sei das Mietgericht hierfür sachlich zuständig (vgl. a.a.O. S. 2). Es erscheint insbesondere mit Blick auf die Rechtssicherheit wenig überzeugend, die Begrifflichkeit der «Streitigkeiten aus Mietverhältnis», die das Gesetz verwendet, im Rahmen der Rechtsprechung durch neue, interpretationsbedürftige Begrifflichkeiten wie «in einem weiteren Sinne mietrechtlicher Natur» oder «im Kontext des Mietverhältnisses» zu ersetzen.
Zumal unter diese Begrifflichkeiten insbesondere auch etwa Streitigkeiten zu subsumieren wären, in welchen die Inanspruchnahme des Fachwissens der Mietgerichte und die Anwendung der Sozialschutznormen des Mietrechts nicht gerechtfertigt wäre, oder die gar in die Zuständigkeit von Strafgerichten fallen würden. Aus diesem Entscheid des Mietgerichtes Zürich können somit – unabhängig davon, ob er hier einschlägig ist oder nicht – keine weiteren Aufschlüsse gewonnen werden, die zur Klärung der sachlichen Zuständigkeit von Mietgerichten beitragen.
3.4.4 Nach dem Gesagten hat sich das Mietgericht Uster zu Recht als sachlich unzuständig erachtet.
Arrêt NG230016 de la Cour suprême du canton de Zurich du 5.3.2024
Droit des étrangers
Une expulsion inadmissible
Une dépendance de longue durée à l’aide sociale ne justifie pas le renvoi d’une étrangère de 59 ans née en Suisse sans avertissement préalable.
État de fait
Une Italienne de 59 ans née en Suisse n’a jamais vécu en Italie. Bien qu’elle ait terminé un apprentissage de coiffeuse, elle n’a jamais travaillé. Alcoolique et dépendante aux stupéfiants, elle percevait l’aide sociale depuis 21 ans. L’office soleurois des migrations a retiré son autorisation d’établissement et l’a invitée à quitter le pays. Le Tribunal administratif de Soleure a annulé cette décision. Après près de 60 ans dans le pays, un avertissement aurait dû lui être adressé avant le renvoi de Suisse.
Extrait des considérants
2.1 Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und ihre Familienangehörige hat das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG) nur insoweit Geltung, als das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (FZA) keine abweichenden Bestimmungen enthält oder das AIG günstigere Bestimmungen vorsieht (Art. 2 Abs. 2 AIG und Art. 12 FZA).
2.3 Nach Art. 6 Abs. 6 Anhang I FZA verliert ein Vertragsausländer bei unfreiwilliger Beendigung der Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar seinen Arbeitnehmerstatus und damit sein Aufenthaltsrecht. Ein Vertragsausländer kann diesen Status aber verlieren, wenn er entweder (1) freiwillig arbeitslos geworden ist oder (2) aufgrund seines Verhaltens feststeht, dass keinerlei ernsthafte Aussichten (mehr) darauf bestehen, dass er in absehbarer Zeit eine andere Arbeit finden wird oder (3) sein Verhalten gesamthaft als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden muss, da er seine Bewilligung (etwa) gestützt auf eine fiktive bzw. zeitlich kurze Erwerbstätigkeit einzig zum Zweck erworben hat, von günstigeren Sozialleistungen als im Heimat- oder einem anderen Vertragsstaat zu profitieren (vgl. BGE 141 II 1 E. 2.2.1 mit Hinweisen).
Ist der ursprünglich unfreiwillig arbeitslos gewordene Vertragsausländer 18 Monate arbeitslos geblieben und hat er seinen Anspruch auf Arbeitslosengelder ausgeschöpft, ist praxisgemäss von fehlenden Aussichten auf eine neue Stelle auszugehen (vgl. BGE 147 II 1 E. 2.1.3; Urteile des Bundesgerichts 2C_168/2021 vom 23. November 2021 E. 4.5.1; 2C_755/2019 vom 6. Februar 2020 E. 4.4.1 mit Hinweisen).
2.4 Gemäss Art. 7 lit. c FZA i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Anhang I FZA haben Staatsangehörige einer anderen Vertragspartei nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit ein Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei. Personen, die sich auf das Verbleiberecht berufen können, behalten damit ihre erworbenen Rechte als Arbeitnehmerinnen resp. Arbeitnehmer gemäss FZA, obschon sie den Arbeitnehmerstatuts nicht mehr für sich in Anspruch nehmen können. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 der Verordnung Nr. 1251/70, auf welche Art. 4 Abs. 2 Anhang I FZA verweist, besteht ein Verbleiberecht für den «Arbeitnehmer, der infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis aufgibt, wenn er sich seit mindestens zwei Jahren im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ständig aufgehalten hat».
2.7 Die Niederlassungsbewilligung kann nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichen Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist. Nach geltender Praxis ist der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs.1 lit. c AIG erfüllt, wenn konkret die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Sozialhilfeabhängigkeit besteht; blosse finanzielle Bedenken genügen nicht.
Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Leistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_357/2023 vom 12. Juli 2024 E. 4.1).
4.1 Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. September 2003 und somit seit mehr als 21 Jahren Sozialhilfe bezieht, wobei die Sozialhilfeunterstützung weiterhin andauert. Dadurch entstand bis zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids ein Negativsaldo in Höhe von CHF 391 584.85. Die Beschwerdeführerin absolvierte zwar eine Lehre als Coiffeuse. Danach konnte sie im hiesigen Arbeitsmarkt nicht Fuss fassen, zumal sie - zumindest im Kanton Solothurn - seit dem Jahr 2003 Sozialhilfe bezieht und ab dem Jahr 2011 leidglich sporadisch einer Erwerbstätigkeit im Stundenlohn nachging.
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie durch ihre Drogen- und Alkoholsucht ein Verbleiberecht nach Art. 7 lit. c FZA i.V.m. Art. 4 Anhang I FZA innehaben soll, zielen ins Leere. Die Drogenabhängigkeit durch den Heroinkonsum wurde letztmals im Jahr 2022 attestiert. Gemäss einem aktuellen Arztzeugnis leidet die Beschwerdeführerin an einer Alkoholkrankheit. Bei dauernder Arbeitsunfähigkeit besteht ein bedingungsloses Verbleiberecht dann, wenn Staatsangehörige der EU oder EFTA wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit dauernd arbeitsunfähig geworden sind und Anspruch auf eine Rente eines schweizerischen Versicherungsträgers haben oder nach zweijährigem ständigem Aufenthalt in der Schweiz aus einem anderen Grund dauerhaft arbeitsunfähig werden.
Die unselbständige Erwerbstätigkeit muss gerade infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit aufgegeben worden sein, was nicht der Fall ist, wenn der Arbeitnehmerstatus bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bereits entfallen war (vgl. BGE 141 II 1 E. 4.2.3). Bei der Drogen- und Alkoholsucht handelt es sich nicht um eine Berufskrankheit, weshalb die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Suchtkrankheit kein Verbleiberecht aus Art. 7 lit. c FAZ ableiten kann. Gestützt auf die obgenannten Ausführungen hat die Beschwerdeführerin somit kein Verbleiberecht nach FZA.
4.2 Da der Beschwerdeführerin somit kein freizügigkeitsrechtlicher Anspruch auf einen Aufenthalt in der Schweiz zukommt, steht Art. 5 Anhang I FZA einem Widerruf ihrer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA nicht entgegen.
5.2 Wie obgenannt ausgeführt hat die Beschwerdeführerin kein Verbleiberecht nach FZA. Des Weiteren erfüllt sie mindestens einen Widerrufsgrund. Der Beschwerdeführerin war zumindest seit dem Schreiben vom 20. November 2023 bewusst, dass ihre finanzielle Situation, insbesondere ihr Sozialhilfebezug migrationsrechtlich ein Thema war, wobei sie spätestens nach Gewährung des rechtlichen Gehörs um die möglichen Folgen ihres Sozialhilfebezugs wusste.
Trotzdem hat sich ihre soziale oder wirtschaftliche Situation nicht massgeblich verändert, indem sie sich bis anhin nicht hinreichend bemühte, sich (durch Anhängigmachen eines IV-Verfahrens) von der Sozialhilfe zu lösen bzw. eine Schuldensanierung zu initiieren. Nichtsdestotrotz ist die Beschwerdeführerin in der Schweiz geboren und hält sich deshalb seit rund 60 Jahren hierzulande auf. In einem anderen Land wie bspw. Italien war sie nie wohnhaft. Sie hat in der Schweiz die Schule besucht, eine Lehre gemacht und eine Familie gegründet.
Bis anhin wurde die Beschwerdeführerin nicht formell verwarnt, sondern die Niederlassungsbewilligung wurde ihr nach einem bald 60-jährigen Aufenthalt in der Schweiz entzogen. Eine Verwarnung muss zwar nicht immer einem Bewilligungswiderruf vorangehen und es kann nicht angehen, dass die Behörde verpflichtet ist, jeden im Lande weilenden Ausländer ständig (zu) beaufsichtigen und ihn zurechtzuweisen, wenn sein Verhalten sich der Grenze des Zulässigen nähert (vgl. Schindler Benjamin, in: Caroni Martina/Gächter Thomas/Thurnherr Daniela [Hrsg.], zu Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Bern 2010, Art. 96 N 19).
Allerdings ist insbesondere bei einem langfristigen Aufenthalt eher zu verlangen, dass die Person verwarnt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_283/2011 vom 30. Juli 2011, E. 2.3). Das Verhalten der Beschwerdeführerin erfordert klar ausländerrechtliche Konsequenzen. Eine Wegweisung ist angesichts des langen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin jedoch (noch) nicht verhältnismässig, wohingegen eine Verwarnung klar angemessen und verhältnismässig erscheint. Es ist anzunehmen, dass eine Verwarnung die erforderliche und angemessene Wirkung hat, der Beschwerdeführerin eindrücklich aufzuzeigen, dass sie ihr Verhalten nachhaltig ändern muss, ansonsten sie bei einer fehlenden Verbesserung der Situation aus der Schweiz weggewiesen wird.
Arrêt VWBES.2024.232 du Tribunal administratif de Soleure du 17.12.2024